Ohne das Internet ist künftig keine Kinderkultur mehr zu machen. Status, quo vadis - Netz für Kinder?

Ohne das Internet ist künftig keine Kinderkultur mehr zu machen. Status, quo vadis - Netz für Kinder?

Blogbeitrag vom

Wenn man sich auf eine kleine Zeitreise zu den Kinderschuhen des Internets begibt, stellt man fest, dass es bereits vor 20 Jahren zahlreiche Internetseiten für Kinder gab. Als ich im Jahr 1999 erstmals eine Liste mit Kinder-Webseiten zusammenstellte, kam ich auf eine Zahl von 160. Schon damals hielt das Internet für Kinder wertvolle Angebote bereit, um sich zu informieren, erste Schritte zu gehen, und sich in die Gesellschaft einzubringen. Die Gegenwart ist noch viel bunter: Es gibt allein circa 650 deutschsprachige Internetseiten für Kinder, die mannigfache Themen und Interessen in kindgerechter Sprache und Aufmachung bedienen. Mit der Blinden Kuh , fragFINN und Helles Köpfchen haben wir im deutschsprachigen Raum sogar drei Suchmaschinen für Kinder. Daneben gibt es kindgerechte Einstiegsseiten, deren Ziel es ist, Kindern einen Zugang zu der positiven Vielfalt im Netz zu schaffen. Beispiele sind Seitenstark , Internet-ABC , Klick-Tipps und Meine Startseite . Damit stehen Kindern diverse Such- und Einstiegsmöglichkeiten zur Verfügung. Das ist eine komfortable Situation.

Screenshot der Kindersuchmaschine Blinde KuhScreenshot seitenstark.de, Arbeitsgemeinschaft vernetzter KinderseitenScreenshot https://www.internet-abc.de/

Trotz dieser eigentlich guten Strukturen kennen eher wenige Kinder und Eltern die vielfältige Internetseitenlandschaft, die für sie geschaffen worden ist. Hierfür gibt es verschiedene Gründe: Kinder besuchen nur eine Handvoll Internetseiten regelmäßig. Oft ist es aufwendig, kindgerechte Internetseiten über große Suchmaschinen zu finden. In Familien und an Schulen wiederum ist es oft nicht Standard, Suchmaschinen für Kinder als Startseite einzustellen. Auch sind viele der bestehenden Kinder-Webseiten mit den von Kindern oft genutzten Geräten nicht nutzbar, weil sie nicht für das Tablet oder das Smartphone optimiert sind. So laufen gegenwärtig eine Reihe von Webseiten Gefahr, den digitalen Praktiken von Kindern immer weniger zu entsprechen. Gleichzeitig finden sich die Betreiber von Kinder-Webseiten - für manche vorbereitet, für viele wohl recht unvermittelt - in Konkurrenz zu Abertausenden Kinder-Apps und vernetzten, sozialen Medien.

Medien für Kinder - Wohin geht die Reise?

Es ist kompliziert geworden im Netz für Kinder. Wir durchleben weiter einen technologischen Wandel, der im Hinblick auf bestehende Systeme und Strukturen umwälzend sein könnte. Das betrifft auch das Umfeld von Kindern. Wie wird es für Kinder sein, Fahrrad fahren zu lernen, wenn die Erwachsenen, denen sie auf den Straßen in den Autos begegnen, nicht mehr selber fahren? Es geht für uns, die wir uns mit der Frage nach einem guten Aufwachsen mit Medien beschäftigen, um mehr als die Frage nach „Webseite oder App“. Wir haben uns den zentralen Fragen zum Gesamtbild zu widmen. Dazu gehören beispielsweise: Wie bereitet man Kinder auf ein sich weiter entwickelndes mediales Umfeld vor? Welche Fähigkeiten wollen wir ihnen mitgeben? Wann und wie benötigen Kinder Hilfestellung, damit sie den Möglichkeitsraum Internet für ihr Leben und Lernen nutzen können? Wie gehen wir mit Spannungslagen um, in denen die Nutzung von Onlinediensten für das Leben von Kindern - aus sozialen, pädagogischen, ökonomischen, politischen Beweggründen heraus - problematisch ist?

Kinderrechte im Netz

Die UN-Kinderrechtskonvention betont den freien Zugang der Kinder zu Informationen. Kinder haben damit ein verbrieftes Recht, sich aus einer Vielfalt nationaler und internationaler Quellen zu informieren. Sie lässt Einschränkungen nur dort zu, wo das Wohlergehen des Kindes sonst beeinträchtigt würde. Zum einen ergibt sich daraus die Bedingung, Informationen, die für Kinder von Belang sind, für diese aufzubereiten (in Sprache, Umsetzung, Darbietung). Des Weiteren ist zu gewährleisten, auch im Internet Räume zu bieten, die Kindern Zugang zu Informationen in kindgerechter Sprache und Aufbereitung in qualitätsvoller Art und Weise geben.

Hier leisten zahlreiche Webseiten für Kinder bereits einen wertvollen und hilfreichen Beitrag. Sie tragen einen entscheidenden Anteil daran, dass das Netz für Kinder informativ ist, verschiedene kindliche Zielgruppen anspricht, Angebote für Kinder mit besonderen Bedürfnissen und in verschiedenen Lebenslagen macht und Kinder im Netz ihren Interessen nachgehen können, beispielsweise auf logo!, Kindersache,  Gebärdengrips, Was hat Oma? , Frieden fragen, Religionen entdecken oder Kindertrauerland.

Screenshot kindersache.de, Kinderseite des DKHWScreenshot http://religionen-entdecken.de/Screenshot kindertrauerland.org

Beteiligung der nächsten Generation

Kinder haben ebenso ein Anrecht auf Beteiligung. Dies schließt ein, sie auf das Leben in unserer Demokratie vorzubereiten. Noch nie standen Kindern mehr Möglichkeiten zur Verfügung, um in unserer Gesellschaft mitzumachen, mitzugestalten und selbst aktiv zu werden. Doch sie müssen in der Lage sein, die digitalen Medien für unser demokratisches Zusammenleben sinnvoll zu nutzen und den digitalen Raum nicht in abgeschotteten Informationswelten, in sozialen Echokammern und Filterblasen erfahren. Dazu gehört, ihnen soziales Gespür und Fertigkeiten für den digitalen Raum zu vermitteln. Es gibt Angebote für Kinder im Netz, die soziale Vernetzung ermöglichen, beispielsweise beim Klexikon , Junait , JIPPIE , Knipsclub , Audiyou , Seitenstark Chat , Kidsville oder Radiofüchse . Der Wert dieser Angebote ist nicht hoch genug einzuschätzen, damit Kinder erste Erfahrungen „im Proberaum“ mit sozialer, digitaler Vernetzung sammeln können. Doch die wenigen, bestehenden Angebote können den Bedarf nicht alleine abdecken - es bedarf weiterer Unterstützung und neuer Anstrengungen von Seiten unserer Gesellschaft, Kinder auf ihren Wegen in ein engagiertes Leben in einer digital geprägten demokratischen Gesellschaft ebenso engagiert zu unterstützen. Jetzt ist die Zeit.

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Prof. Dr. Friederike Siller, Technische Hochschule Köln im Auftrag des Initiativbüros "Gutes Aufwachsen mit Medien"